Mit den Worten “künstliche Intelligenz wird nicht in echtem Staunen vor der Schönheit von Gottes Schöpfung stehen” spricht sich Papst Leo XIV. im Rahmen der National Catholic Youth Conference zum 21.11.2025 gegen KI-Nutzung aus. KI könne Informationen verarbeiten, aber keine menschliche Weisheit liefern. Eine passende Haltung im Kontext der Rezension. Es zeigt passend auf, was Karsten Weber (2025) schon im Titel verrät: “Künstliche Intelligenz und Kränkung. Der Verlust menschlicher Besonderheit.”
Sein beim Psychosozial-Verlag erschienenes Werk beschreibt Weber als “Dokumentation gesellschaftlicher Veränderungen durch Technologie.” Es geht ihm nicht um Bewertungen oder Empfehlungen. Das erste Kapitel widmet sich einer Heranführung an die Beschreibung von KI – nicht als rein technisches Objekt, sondern als gesellschaftlich eingebettete Größe. Nicht- oder Halbwissen über die Technologie führe zur Missverständnissen und gleichermaßen zu einem Kontrollverlust. Künstliche Intelligenz und alles, was in der Tiefe mit ihr zu tun hat, liegt in den Händen von Expert*innen. Wer nicht dazu zählt, kann nur passiv erdulden, was passiert. Ein Umstand, der gleichermaßen zur Verunsicherung führt, wenn Menschen und Medien von “Veränderungen” und “Revolutionen” durch die neue Technologie sprechen. Es klingt, als würde es mich auch betreffen! Diese Mischung an Gefühlen und Gedanken setzt Weber in den Kontext von Politik: wissenschaftsskeptische und fortschrittsfeindliche Politiker*innen und Parteien gewinnen hier an Popularität, wenn sie in diese Kerbe der Angst und Verunsicherung schlagen. Die Ablehnung neuer Technologien ist hier sicherlich nicht die einzige Abwehr der “Veränderung” bisheriger Weltbilder, die Anklang in konservativen Lagern erhält. Zeitgleich macht Weber auch klar, dass hinter einer Technologie wie KI immer noch Menschen stecken und damit auch Interessen, Macht und Geld. Wissenschaftlich-technischer Fortschritt hat seine Schattenseiten (er zählt Ausbeutung, Zerstörung der Umwelt, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, politische Verfolgung auf). So sei Künstliche Intelligenz in vielen Fällen “ein weiteres Werkzeug im Methodenkoffer [von Unternehmen und Staaten] zur Misshandlung.” (S. 26).
Darüber hinaus zeigt er eine Mediengeschichte der technischen Enttäuschung auf, nicht nur in Anbetracht der Anfänge von KI, sondern zahlreicher ihr vorangegangener Technologie. Erste Computertechnologien finden genauso eine Erwähnung, wie die Dampfmaschine. Entwicklungen, die in bisherige menschliche Handlungsfelder eindringen und beim Menschen die Frage nach seiner Einzigartigkeit und Besonderheit aufwerfen.
“KI dringt in Domänen menschlicher Fähigkeiten ein, die bisher nicht nur exklusiv dem Menschen vorbehalten zu sein scheinen, sondern in entsprechender Weise dessen Selbstbild und Selbstverständnis definieren.” (S. 19)
Genauso geht es Weber auch um das Besprechen medialer Darstellung. Filme und Serien zeigen schon seit Jahrzehnten ähnliche Technologien auf, die als KI (miss)verstanden werden können. Wie prägen die Terminator-Reihe, War Games oder Star Trek unsere Vorstellung, Erwartung und Sorge vor KI? Es geht um die Perspektive auf eine Technologie und die damit aufkommenden Dichotomien: Unsterblichkeit oder Unmenschlichkeit? Vereinfachung oder Verüberflüssigung? Befriedigung oder Befremdung? Herrschaft oder Revolution? Alles nichts Neues, macht Weber klar.
Wie können wir als Menschen damit umgehen, wenn Technologien unsere Fähigkeiten übernimmt? Wie besonders kann der Mensch verbleiben, wenn Denken, Kreativität und Logik von der Maschine übernommen werden? Frei nach Herbert Grönemeyer: “Wann ist ein Mann* ein Mann*?” (*lies: Mensch). Die Maschine wird eine Gefahr für unsere Menschlichkeit, indem wir ihr beibringen, was uns zum Menschen macht. Die Vermenschlichung, die bereits in der Sprache rund um die künstliche Intelligenz bzw. Large Language Models anfängt. Eine KI „trainieren“ oder ihr etwas „beibringen“. Ist es dasselbe Training wie beim Menschen? Lernt ChatGPT auf dieselbe Art und Weise wie der Mensch es tut? Oder nutzen wir nur eine für uns greifbare Sprache, die im selben Prozess einen maschinellen Prozess vermenschlicht?
Das Buch von Karsten Weber ist ein informatives und wenig aufgeregtes Werk. Während ich in den Medien und in mir selbst eine starke Polarisierung und Emotionalisierung des Themas rund um künstliche Intelligenz wahrnehme, bespricht Weber ganz unaufgeregt, wo KI herkommt, was sie tut, sein kann und in welche gesellschaftliche und emotionale Wechselwirkung sie mit dem Menschen trifft. Vorteile, Nachteile, Hoffnungen und Ängste finden ihren Platz. Es ist wissenswert, dass KI nicht erst seit dem neuesten Aufkommen von ChatGPT ein Ding ist, dass an KI gar nichts künstlich intelligent ist und ihre Grundsteine schon in den 1950ern gelegt wurden. So wie Weber es schreibt, hielt ich es aus medienwissenschaftlicher Perspektive auch in eigenen Besprechungen von medialen Produktionen: Medien und Technologie sind immer noch von Menschen gemacht und damit abhängig von Gesellschaft, Bedürfnissen, von Macht und Politik. Umso spannender, es nicht nur in Sachen Medienproduktion oder Produktionspolitiken zu betrachten, sondern sich die Gefühle der Menschen noch einmal vor Augen zu führen: Ersetzt werden, übertroffen werden und sogar entmenschlicht werden? Diese und andere historischen Technologien kränkten, kränken und werden kränken. Vermittelt wird all das in einer verständlichen Art und Weise, gut strukturiert. Komplexes erklärt Weber greifbar und nachvollziehbar – anders als technologische Entwicklungen wird der Konsument hier nicht abgehängt.
Nach der Lektüre hat sich meine Einstellung zu KI zwar nicht verändert – ich lehne Sie immer noch ab, vor allem aus ethischen Gründen – aber mein Wissen um KI und KI-Geschichte hat sich erweitert.
Das vorliegende Exemplar ist ein vom Verlag zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar. „Künstliche Intelligenz und Kränkung. Der Verlust menschlicher Besonderheit“ von Karsten Weber erschien 2025 im Psychosozial-Verlag.